Gerade einmal ein Jahr ist es her, dass RTL einen neuen Anlauf bei der Versoftung seiner Erfolgsserie Alarm für Cobra 11 wagte und dafür die Rennspielspezialisten von Synetic engagierte, was sich als goldrichtig erwies. Das letzte Cobra 11-Spiel war mit Abstand das Beste. Dementsprechend gespannt sind wir, was uns RTL und die Gütersloher Entwickler nun servieren.
Doch bevor wir uns dem neuen Spiel widmen, wollen wir uns noch einmal kurz den Vorgänger und dessen weniger gute Seiten ins Gedächtnis rufen, um anschließend bewerten zu können ob die Entwickler ihre Hausaufgaben gemacht haben. Neben ein paar kleineren technischen Macken, wie der anfälligen KI, büßte der Titel vor allem in Sachen Atmosphäre Punkte ein, weil man sich eine durchgängige Hintergrundgeschichte sparte und auch ansonsten nicht das ausnutzte was eine TV-Lizenz eigentlich mit sich bringen müsste.
Actionheld alter Schule
Das Grundkonzept des Vorgängers ließ man bei Synetic auch bei Alarm für Cobra 11 - Crash Time unangetastet. So besteht das Spiel abermals aus einem Haufen unverbundener, wahllos aneinander geklebten Aufträgen. Eine durchgängige Hintergrundgeschichte gibt es somit nach wie vor nicht und die Art und Weise in welcher die Einzelmissionen präsentiert werden ist ebenfalls weit vom TV-Niveau entfernt. Es dominieren leider hirn- und witzlose Dialoge mit unrealistischen Synchronsprechern. Umso ärgerlicher ist, dass man selbst während dieser simplen Briefings meist nicht einmal eindeutig gesagt bekommt, was man zu tun hat.
Punkt eins unserer Checkliste muss damit leider schon einmal mit einem dicken F für fehlgeschlagen gekennzeichnet werden, denn in Sachen Atmosphäre und Inszenierung hat das Spiel Alarm für Cobra 11 immer noch nichts von der TV-Serie gelernt. Auch inhaltlich gibt es soweit nichts Neues zu berichten, da alternativ zu den Missionen natürlich ein umfangreicher Rennmodus und ein obligatorischer Splitscreen-Modus bereitstehen. Online- oder Netzwerkmehrspielerrennen verweigert der Titel immer noch.
Ziel verfehlt
Von tiefgängigem Geschwafel und Drumherum hält Alarm für Cobra 11 also, wen wundert es, nichts. Dafür soll es auf der Strecke ordentlich zur Sache gehen - und das tut es auch. Obwohl die Missionsziele im Gros die Gleichen wie im Vorgänger sind, schafft es das neue Spiel sich an einigen Stellen wohltuend hervorzuheben. Dafür sorgt vor allem die überarbeitete künstliche Intelligenz. Diese sucht sich nämlich bei Verfolgungs- und Beschattungsmissionen ihre eigenen Wege durch die große, zusammenhängende Spielwelt, sodass diese Missionen im Prinzip jedes Mal anders ablaufen.
Nichtsdestotrotz liegt noch immer der ein oder andere Stolperstein im Weg. So gestaltet sich zum Beispiel die Wegfindung mit den am oberen Bildschirmrand eingeblendeten Richtungspfeilen eher schlecht als recht, denn an Stellen wo mehrere Straßen zusammenlaufen weiß man oft nicht wohin. Ebenfalls nervig bei der Wegfindung sind die Lichtkegel, welche als Kontrollpunkte fungieren und die schlichtweg viel zu klein bemessen sind, sodass man allzu leicht daran vorbeirast und dann noch mal umdrehen muss. Nicht zuletzt dadurch verkommt so manche Mission zum lästigen Trial-and-Error.
Und Action bitte
Bei einem Spiel zur deutschen Action-Serie schlechthin darf man natürlich Einiges erwarten. Im letzten Jahr machte Nitro schon sehr vieles richtig, sodass es für Crash Time eigentlich nur noch gilt die gute Grundlage zu erweitern. Ganz nüchtern betrachtet scheint Synetic allerdings nicht zu viele Anstrengungen hierauf gelegt zu haben, denn schließlich ist das Schadensmodell trotz Fantasie-Vehikeln immer noch auf ein gewisses, wenn auch gutes Maß beschränkt. So sucht man beispielsweise zerberstende Scheiben genauso vergebens wie abfallende Räder und nicht zuletzt die fast grundsätzlichen Explosionen der Wracks zum Abschluss jedes größeren Unfalls wirken wenig überzeugend.
Auf der anderen Seite gibt es aber schon ein paar Fortschritte zu verzeichnen. So wirken zum Beispiel die Innenstadtszenarien deutlich lebensechter, obwohl oder vielleicht auch gerade weil die hässlichen Papp-Passanten aus dem Vorgänger restlos verschwunden sind. Dafür säumen nun deutlich mehr Randobjekte die Strecken. Bushaltestellen, Müllsäcke und natürlich alle möglichen Verkehrschilder tragen zu einem realistischeren Umgebungsbild bei, auch wenn animierte Polygon-Zivilisten für die Straßen sicherlich auch keine überzogene Forderung wären. Für mehr Action sorgen nun immerhin viele Rampen, die abhängig von den Missionen auftauchen, und die brandgefährlichen Bahnübergänge.
Fahrspaßgarantie
Auch beim Fahrverhalten ist alles beim Alten geblieben. Crash Time kommt mit dem gewohnten Synetic-Handling vorbei, also einer guten Mischung aus Realismus und Arcade mit letztendlich deutlichem Überhang zu Letzterem. Wobei die Entscheidung, wie sich Crash Time fährt, auch beim Spieler selbst liegt, denn der hat die Wahl Fahrhilfen, wie die ArcadePlus-Option, einzuschalten oder auch nicht. Wer darauf verzichtet muss zwar auch rechtzeitig in die Eisen steigen, kann sich dafür mit etwas Training aber auch über schöne Driftwinkel freuen. Nicht zuletzt sollte man bei der Hatz nach den schweren Jungs aber auch den Boden nicht aus den Augen verlieren, denn bei hohen Geschwindigkeiten können schon relativ kleine Unebenheiten den Wagen aus der Balance bringen.
Nur ein Filter
Auf der Webseite zum Spiel preist RTL das Spiel mit Zitat: "Nextgen-Look und zahlreiche neue Effekte" an. Das ist dann aber doch etwas zuviel des Guten, denn wenn man es mal ganz streng betrachtet, fällt uns lediglich der Unschärfe-Filter als neues Element auf, dafür aber als sehr gelungenes. Für echte Next-Gen-Grafik fehlt es aber in den Texturauflösungen, den Polygonmengen und vor allem an der Effektvielfalt. So bleibt das Environment-Mapping mehr oder weniger der einzige echte Hingucker der Optik. Self-Shadowing gibt es nur ganz rudimentär, die Cockpits bleiben uns verschlossen und Bump Mapping fehlt vollkommen.
Doch diese Landscape Engine hat andere Qualitäten. Dazu zählen zum Beispiel das erstklassige Geschwindigkeitsgefühl, die große Vegetationsdichte und die sehr große Anzahl an NPCs auf den Autobahnen. Zu guter Letzt sorgt die schöne Ausleuchtung immer noch für einen realistischen Gesamteindruck.
Sei dein eigener DJ
Genauso wie bei der Grafik scheint auch beim Sound Stillstand vorzuherrschen, doch der ist ja bekanntermaßen gleich Rückschritt. So bewegen sich die Sounds eher im durchschnittlichen Bereich. Die Motoren rangieren irgendwo zwischen 1,0L-Kleinwagen und einem aufgebohrten Staubsauger, was für ein Arcade-Rennspiel an sich ja noch zu verschmerzen wäre, zumal das Quietschen der Reifen deutlich mehr überzeugen kann.
Kontraproduktiv arbeiten dann aber wieder die unausgesprochen unnatürlich klingenden Synchronsprecher, welche ihre Rollen stets überbetonen und daher auch aus irgendeiner TV-Shop-Werbung stammen könnten. Von der Tatsache, dass auch dieses Mal wieder die Schauspieler der TV-Serie sich nicht selbst sprechen, ganz zu schweigen, was nicht nachvollziehbar ist. Und so bleibt die beste Eigenschaft am Sound von Alarm für Cobra 11 - Crash Time mal wieder die Musik-Manager-Funktion zum Einfügen eigener MP3-Dateien.
Fazit
Nach unserer ausführlichen Testfahrt stellt sich nun die entscheidende Frage: Hat Synetic die Schnitzer des vergangenen Jahres ausgemerzt? Klare Antwort darauf ist ein zweideutiges Jein. Denn auf der einen Seite hat man durch den mehrschichtigen Missionsaufbau und insbesondere durch die neue KI zur selbständigen Wegfindung echte Fortschritte beim Spielablauf gemacht, was nicht zuletzt der Abwechslung eines sonst eher eintönigen Spiels gut tut. Doch im Großen und Ganzen war es das dann auch schon mit den Neuerungen. Den neuen Unschärfe-Filter für hohe Geschwindigkeiten darf man jedenfalls getrost unter ganz nett aber auch nicht mehr ablegen und es bleiben noch genügend Baustellen offen.
Allen voran der überwiegend schwache Sound und die mangelhafte Ausnutzung der RTL-Lizenz beziehungsweise des TV-Bonuses. Eigentlich wäre ein Rennspiel wie dieses prädestiniert für die perfekte Symbiose aus passiver und interaktiver Unterhaltung, für die Nutzung gemeinsamer Ressourcen und Cross-Promotion, doch was RTL und Synetic daraus machen beschränkt sich nur auf ein absolutes Minimum. Nicht nachvollziehbar ist, warum ein Spiel, bei dem ja bereits eine hervorragende und erfolgreiche Vorlage in Form der TV-Serie besteht, auf eine vernünftige Story und eine entsprechende Präsentation verzichten muss.
Alles in allem ist Alarm für Cobra 11 - Crash Time ein netter Arcade-Renner für zwischendurch mit einem schönen Fahrverhalten, einer guten technischen Basis und jeder Menge Action, doch nach wie vor kratzen RTL und Synetic lediglich an der Oberfläche dieser vielversprechenden Kombination.
1 10.11.2007 DS
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